Sex in der Wüste

Sex in der Wüste

von Stefanie Walther

Ronnies legendärer Sexshop auf der Route 62

Ein Sexshop ist wohl so ziemlich das Letzte, was man auf der tristen Strecke zwischen Ladismith und Barrydale erwarten würde. Soweit das Auge reicht nichts als trockene Erde, verdorrte Büsche und ein schier endloser Himmel. Typisch Karoo eben. Kein Wunder also, dass man das weiße Häuschen in der Ferne für eine Fatahmorgana hält. Beim Näherkommen ist es aber immer noch da, und in dicken roten Lettern ist „Ronnies Sex Shop“ an die schneeweiße Wand gepinselt. Ein Sexshop in der Wüste, wer hätte das gedacht!
 
Zahlreiche Bremsspuren verraten, dass so mancher vor Überraschung heftig in die Eisen gegangen ist, und die vielen parkenden Autos beweisen, dass ein Sexshop in der Wüste zahlreiche Besucher anzieht. Die Terrasse ist voll. Neben verschwitzten Bikern sitzen Touristen mit Schlapphut und Fotoapparat. Ein paar junge Typen drehen Zigaretten, trinken Bier und starren den vorbeilaufenden Mädels auf den Hintern. Aus den Lautsprechern dröhnt AC/DC, und eine halbnackte Pamela Anderson beobachtet die Szene von ihrem Poster neben der Eingangstür.

Ein stinknormaler Pub könnte man meinen. Ist aber nicht so. Betritt man die eigentliche Bar, bekommt man einen ganz anderen Eindruck: Die Wände sind über und über mit Sprüchen, Witzen und Unterschriften beschmiert, daneben hängen vergilbte Fotos und Visitenkarten aus aller Welt. Auf Regalen liegen verstaubte Baseballkappen und signierte T-Shirts. Von der Decke baumeln – man mag’s kaum glauben – BHs und Slips in allen Größen und Farben. Ein roter Spitzenschlüpfer sticht besonders ins Auge. Und natürlich der pinke Büstenhalter in Doppel-D. Die handfesten Beweise ausschweifender Partys, langer Nächte und enthemmter Gäste.
 
Der ältere Typ hinter der gut bestückten Bar scheint ebenfalls zum Inventar zu gehören. Er sieht einfach so aus als gehöre er hier hin: Pferdeschwanz bis zum Hintern, langer Rauschebart und ein abgebrühtes Grinsen. Eine Frau mit Afro nennt ihn Ronnie. Das ist er also. Und das ist sein legendärer Sexshop. Kein Sexshop im konventionellen Sinne, man findet hier weder verruchte Filme, noch heißes Liebesspielzeug, dafür aber jederzeit ein eiskaltes Bier, einen Happen zum Essen und wenn man Glück hat eine richtig gute Party. Eine jener Parties, die den Pub berühmt gemacht haben. Mit Feiern bis zum Morgengrauen und Tanzen bis zum Umfallen.
 
Der Laden ist mittlerweile Kult. Dabei war es anfangs gar nicht Ronnies Absicht, einen Pub zu eröffnen. Schon vor zwanzig Jahren kam Aussteiger Ronnie von Kapstadt in die Karoo, „um dem hektischen Stadtleben zu entkommen", erklärt er. Er kaufte eine Farm und wollte in dem zerfallenen Gebäude neben der Straße einen Bauern-laden eröffnen, wo er seine selbstgemachten Marmeladen und Chutneys verkaufen wollte. In leuchtendem Rot malte er „Ronnies Shop" an die Außenwand. Unterstützt wurde er von seinen Freunden, die ihm bei den mühevollen Renovierungsarbeiten halfen. „Das Haus war mehr eine Ruine als ein Haus", erklärt er.
 
Nach einem Tag harter Arbeit saßen alle gemeinsam ums Feuer, tranken Bier und grillten ein paar Steaks. Anscheinend war Ronnie an diesem Abend nicht ganz so trinkfest, denn er ging als einer der ersten zu Bett. Eine schicksalsträchtige Entscheidung. Während Ronnie friedlich schlief, machten sich seine Freunde mit Pinsel und Farbe ans Werk. Als er am nächsten Morgen zum Laden kam, hieß dieser nicht mehr nur Ronnies Shop, sondern Ronnies SEX Shop. „Als ich sah, was meine Freunde angestellt hatten, war ich stinksauer. Die Lust einen Bauernladen zu eröffnen, war mir gehörig vergangen. Die Renovierungsarbeiten dauerten sowieso viel zu lange, und außerdem wusste ich nicht, ob der Laden überhaupt Erfolg haben könnte. Damals gab es ja noch keine Route 62, und nur selten verirrten sich Leute in die Karoo. Ich beschloss, den Laden nicht zu eröffnen und machte mir auch nicht die Mühe, die Außenwand neu zu streichen."


 
Jahrelang betrat er das Häuschen nicht mehr. Argwöhnisch beobachtete er, wie sich vorbeifahrende Passanten über den zerfallenen Sexshop amüsierten. Viele hielten an, um Fotos zu machen und sich die Beine zu vertreten. Das brachte ihn auf eine Idee, und eines feucht-fröhlichen Abends beschloss er mehr oder weniger aus Spaß, in dem Häuschen einen Pub zu eröffnen. Die beste Idee, die er je hatte. Der Pub ist ein Erfolg und das schon seit über einem Jahrzehnt. Fast jeder der vorbeifährt hält an, entspannt sich bei einem kühlen Bier, schwätzt mit Ronnie und verewigt sich an der Wand - wenn denn noch irgend wo ein freies Plätzchen zu finden ist.

Das Geheimnis seines Erfolgs? „Klar, es ist der Name. Die Leute sind neugierig, halten an und schauen sich um. Sex verkauft sich eben besser als Erdbeermarmelade und Gemüse", sagt er und lacht. Dann fügt er zwinkernd hinzu: „Und manchmal, wenn die Stimmung stimmt und die Leute gut drauf sind, dann drehe ich die Musik ein wenig lauter und gebe einen aus. Und manchmal findet dann ein weiterer BH ein neues Zuhause hier.

Authors

Andreas