von Steffi Walther
Das schnellste Landtier der Welt ist vom Aussterben bedroht – auf dem Inverdoorn Game Reserve widmet man sich seinem Schutz.
Erwartungsvolle Spannung liegt in der Luft. Nur das sanfte Rauschen des Windes durch das hohe Gras ist zu hören. Plötzlich Getrampel. In der Ferne taucht eine Staubwolke auf. In einem unglaublichen Tempo kommt sie näher. 100 Meter, 200 Meter... Drei Geparde stürmen daraus hervor. Jede Sehne dieser so muskulösen Tiere ist zum Zerreißen gespannt. Mit einer Leichtigkeit und Grazie, die nicht von dieser Welt scheint, rasen die anmutigen Geschöpfe ihrer Beute hinterher. Die Besucher auf den Aussichtsplattformen halten gebannt die Luft an. Dann schnappt sich die größte der drei Raubkatzen die Beute. Die Gäste schreien auf. Die Jagd hat ein Ende.
Auf dem Inverdoorn Game Reserve in der Karoo, zweieinhalb Stunden von Kapstadt entfernt, haben die Besucher die einmalige Gelegenheit, dieses Schauspiel hautnah mitzuerleben. Dabei wird ein Beute-Imitat, ein Huhn oder Hase aus Stofffetzen, an einem Seil befestigt, das dann in hoher Geschwindigkeit mit einer speziellen Winde eingefahren wird. Ein Prinzip, das auch bei Windhunderennen angewandt wird. Da Geparde – anders als die meisten Raubtiere – primär auf Sicht und nicht Geruch jagen, wird so ihr natürlicher Jagdinstinkt geweckt. Wie auf Kommando stürmen sie der vermeintlichen Beute hinterher. Dabei erreichen sie eine Geschwindigkeit von bis zu 110 Stundenkilometer. Von null auf hundert in drei Sekunden. Das schafft kein Tyson Gay, kein Windhund und auch kein Ferrari. Geparde sind die schnellsten Säugetiere der Welt. Sprinter par excellence. Sie in Aktion zu erleben – das ist ansonsten höchstens in Fernsehdokumentationen möglich.
Die getürkte Beutejagd dient aber keinesfalls der Unterhaltung der Touristen. Ganz im Gegenteil. Inverdoorn ist ein Schutzreservat, das sich unter anderem um den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Geparde bemüht. Neun davon leben im Reservat. Sie alle stammen aus Aufzuchtstationen und kennen das Leben in freier Wildbahn nicht. Langfristiges Ziel des sogenannten Inverdoorn Cheetah Rehabilitation Program ist es, die Tiere in die Wildnis zu entlassen und so den Bestand freilebender Geparde zu sichern.
Um dieses schwierige Unterfangen zu realisieren, müssen sich die Großkatzen regelmäßig bewegen und natürlich jagen. Die Jagdsimulation ist eine weltweit übliche – und effektive – Methode dafür. „Auch wenn wir keine Touristen hätten, würden wir die Tiere laufen lassen. So bleiben sie in Form und erlernen die überlebensnotwendige Beutejagd. Zudem stimuliert die Bewegung die Hormonproduktion der Geparde, was dazu führt, dass sie sich besser fortpflanzen. Die Tiere lieben das tägliche Rennen, wir zwingen sie nicht dazu. Es ist ihr natürlicher Trieb“, erklärt Inverdoorn-Eigentümer und Geschäftsführer Damien Vergnaud. „Dass die Gäste bei dem täglichen Training zuschauen dürfen, hat einen ganz anderen Hintergrund“, verrät der Tierliebhaber. „Wir möchten die Besucher aufklären, denn der Gepard steht kurz vor der Ausrottung. Sie sollen die Tiere nicht nur sehen, sie sollen sie fühlen und erleben. Dabei erklären wir ihnen die Situation und Problematik und informieren sie über den Erhalt der Art. Und hoffentlich nehmen unsere Gäste davon ein Stück mit nach Hause.“
Geparde waren einst über fast ganz Afrika sowie Teile Asiens verbreitet. Die rücksichtslose Jagd nach den Tieren führte dazu, dass sie heute fast nur noch in Afrika südlich der Sahara anzutreffen sind. Ihre Zahl wird auf 10.000 geschätzt. Das ist ein Zehntel des Bestands von vor 20 Jahren. Die Population sinkt weiter, denn sie besitzen nicht die körperlichen Voraussetzungen, ihren Nachwuchs erfolgreich gegen stärkere Raubtiere zu verteidigen.
So sterben etwa 90 Prozent der Jungtiere im ersten Lebensjahr. Die Tiere, die überleben, werden oft von Farmern getötet. Da ihr natürlicher Lebensraum immer weiter eingeschränkt wird, sind die Wildkatzen gezwungen, auch auf Farmland auszuweichen. Die ansässigen Farmer sehen sie als Bedrohung für ihre Herden und erschießen sie. Oder sie landen in Schutzreservaten. In Gefangenschaft vermehren sie sich allerdings mehr schlecht als recht. Kommt es dennoch zur Paarung, besteht immer noch die Gefahr, dass der Embryo nicht lebensfähig ist, weil Geparde aufgrund der Jahrhunderte langen Ausrottung eine auffällig niedrige genetische Variabilität aufweisen und es oft zu Missbildungen kommt.
Es steht also nicht gut um die Sprintweltmeister. „Wird nichts unternommen, sind die Tage der Geparde gezählt“, prophezeit Vergnaud. „Wir möchten mit unserem Programm dazu beitragen, dass diese Tiere in der Wildnis erhalten bleiben. Denn was wäre Afrika ohne seine Geparde?“